Psyche und Zeitgeist

Gewalt-Erfahrungen

Was lernt ein Kind für einen Glaubenssatz, wenn ihm permanent Gewalt angetan wird?

Entweder: der Stärkste setzt sich durch, also muss ich stark werden, um zu den Starken gehören zu können. Oder, ebenso häufig: Ich bin klein und schwach, ich kann nichts tun, ich kann mich nicht wehren. Diese innere Haltung wird dann auf andere Bereiche übertragen; man verliert seine Eigenständigkeit, seine Motivation, seinen freien Willen. Man gewöhnt sich daran, sich zu fügen.

Gerade die stillen Menschen, die freundlichen und bescheidenen, haben oft früh in ihrem Leben Gewalt erfahren. Wie geht man mit frühen Gewalterfahrungen um, mit Übergriffen, Grenzverletzungen? Entweder man wird später selbst zum Aggressor, man wehrt sich, droht, schlägt um sich. Oder, sehr viel häufiger, das Gegenteil: man wird zum ewigen Beschwichtiger.

Als erstes verlernt man das Lachen, auch Lähmung ist eine häufige Folge von erlebter Gewalt. Lethargie, Antriebslosigkeit, Verlust der Eigeninitiative. Meist erfüllt man brav seine Pflicht, dann hat man seine Ruhe und muss sich nicht bedroht fühlen.

Was ist nun eigentlich „Gewalt“ – wie entsteht sie, wie äußert sie sich, und wie wirkt sie sich aus?

Gewalt ist eine Äußerung des Zwischenhirns, der Ausdruck des Gefühls „Wut“; nächtliches Zähneknirschen ist oft ein Zeichen von unterdrückter Wut. Wenn Menschen untereinander Gewalt anwenden – auch seelische Gewalt, wie z.B. Mobbing, dann geht es meist um Rangordnung; Grabenkämpfe und offene Konflikte sind eine Art, seine Beziehung zu gestalten. Um dieser Gewalt auszuweichen, bleibt vielen Menschen anscheinend nichts anderes übrig, als sich in den Rückzug zu flüchten, also die Beziehung ganz zu vermeiden.

In dem (Gesellschafts-) Spiel „Retter – Verfolger – Opfer“ wird man damit schnell zum Opfer: Man fühlt sich hilflos, und ist auf Retter angewiesen.

Schüchterne Menschen flüchten sich oft in die Passivität, auch in ihrer „aktiven“ Form: als Renitenz, als Verweigerung.