Frag’ mich nach Jesus!

Frag’ mich nach Jesus!

Unlängst sah ich einen skurrilen Herrn, etwa 50-70 Jahre alt, die schneeweißen Haare lang und zottelig wie der Vollbart, mit kahlem Kopf. Auf der Brust prangte ein großer Sticker mit der Aufschrift: Jesus lebt! Er trug ein Köfferchen, wahrscheinlich voller Bücher, auf dem stand in großen Buchstaben: Frag’ mich nach Jesus! Aber niemand fragte ihn. Trotzdem lächelte er freundlich, wenn er auch recht angespannt wirkte, wie auf dem Sprung: Allzeit bereit, eine lange Geschichte zu erzählen. Erleuchtet, aber gleichzeitig einsam und enttäuscht.

Ich schlich mich an ihm vorbei, ich wollte keine Geschichte anhören, ich brauchte keine – ich hatte meine eigenen Geschichten. Vermutlich hatte er das Gefühl, ein wunderbares, großartiges Wissen in sich zu tragen, vielleicht wie ein kleiner Junge, der genau weiß, wo ein Schatz vergraben liegt, weil er eine Karte im Kopf hat, und nun jemand sucht, der ihm das glaubt und mit ihm dorthin geht um diesen Schatz zu heben. Der ihm glaubt, dass diese Karte echt ist.

Wahrscheinlich dieses Gefühl trieb den skurrilen Herrn auf die Straße: Ich habe ein wunderbares Geschenk für euch, eine Neuigkeit, eine Erkenntnis, etwas Wunderschönes! Warum fragt mich denn keiner? Ich habe seine Einsamkeit gespürt, seine Verlorenheit, dass ihn keiner haben will. Und bin geflüchtet, indem ich auf den Boden geschaut habe. Nur keinen Blickkontakt riskieren!

Wie mag dieser Mann sich wohl fühlen, der einen Schatz in seinem Köfferchen spazieren trägt, eine tiefe Wahrheit gefunden hat, und niemand interessiert’s? Und alle, die ihn sehen schauen schnell an ihm vorbei, damit er sie nur nicht anspricht?

Tragen wir nicht alle etwas Wunderschönes in uns, und keiner will es haben, weil alle Menschen von ihren eigenen Geschichten erfüllt sind?